Lügen
hätten ihn stets gelangweilt. Lieber schwieg der in der
Welt und Deutschland wohl bekannteste deutsche Literarhistoriker
Hans Mayer (Jahrgang 1907) - „meistens“. Mayer,
so mußte man deshalb bisher glauben, log in seinen autobiographischen
Werken nicht, wenn er sich an seine wunderbaren Jahre in der
DDR erinnerte. Die hier erstmals präsentierten Unterlagen
aus der Frühzeit der Stasi bringen über H.M. eine
andere Wahrheit ans Licht. Dort, wo er schwieg, wo er log
und wo er sich nicht oder falsch erinnerte.
Die Gauck-Behörde besitzt zwei Akten
über H.M.: 1. eine Berliner „Allgemeine Personalakte“,
bestehend aus zwei Teilen, und 2. den Leipziger Operativen
Gruppenvorgang „Wild“. Der erste Teil der Berliner
Stasiakte enthält Dokumente aus der Zeit von 07/1958
bis 05/1966. Der zweite Teil besteht aus der offensichtlich
noch vollständig erhaltenen Personalakte Hans Mayer des
Sächsischen Ministeriums für Volksbildung bzw. DDR-Staatssekretariats
für Hochschulwesen von 1948 bis 1963 - dem Pendant zur
Personalakte der Universität Leipzig.
Im Operativen Gruppenvorgang „Wild“
betreffen H.M. unmittelbar eingesehene 146 Blatt von Ende
1956 bis Mitte 1958. Es ist also zunächst einmal nicht
die, wie Hans Mayer wissen will, „sehr umfangreiche
Akte mit zahllosen Bespitzelungen“. Geradezu bescheiden
wirken die bislang gefundenen rund 400 Blatt - verglichen
mit den 40.000 Seiten Wolf Biermanns.
Leipzig: Es waren seine besten Jahre. Er
hat sie sehr ausführlich und genau beschrieben: vor allem
in den zwei Bänden seiner Erinnerungen Ein Deutscher
auf Widerruf, dem schmalen Band Stadtansichten mit einem Leipzig-Kapitel,
dem seinem Freunde Stephan Hermlin gewidmeten DDR-Erinnerungsbuch
Der Turm von Babel und dem Werk Wendezeiten. Erst mit Hilfe
der vom MfS sicher aufbewahrten Personalunterlagen können
jetzt viele dort versteckte kleine Lügen des wendigen
Kämpfers für eine große DDR-Universitätskarriere
wie keine andere aufgeklärt werden.
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